Eichenhofen

In der Reiseschriftstellerei der alten Römer wird Deutschland "einstimmig als ein kahles, unfreundliches, rauhes, mit Waldungen und Sümpfen angefülltes Land beschrieben" – und wird von Ferienaufenthalten hierzulande dringend abgeraten.

Plinius meinte gar, "die Eichbäume bedeckten ganz Deutschland und vermehrten die ohnehin schon große Kälte durch ihren Schatten."

Als Bischof Heinrich II. von Augsburg rund tausend Jahre später hier eine ziemlich ähnliche Situation vorfand, beschloß er, sie zu ändern. Als Inhaber des kaiserlichen Wildbann-Lehens – und damit verbunden: der Forsthoheit – ließ er ab 1059 auf der zerklüfteten Hochfläche zwischen Mindel- und Zusamtal, die damals ein großes zusammenhängendes Waldgebiet darstellte, in das dichtbestandene "Holz" (= Wald) verwinkelte Schneisen hineinschlagen, um in den dadurch gewonnenen Lichtungen kleine Inseln der Besiedlung zu schaffen, von denen aus die Umgebung urbar gemacht werden sollte. So erfand Bischof Heinrich "die Holzwinkel".

Eichenhofen darf wohl als Holz- oder Waldwinkel der ersten Stunde angesehen werden, denn schon um 1100 besaß das Augsburger Domkapitel dort eine Hufe gerodeten Landes ("in Eicherishouen hoba una") beziehungsweise einen kleinen Hof. Namengebend für unseren Ort waren jedoch nicht die von Plinius geschmähten "Eichbäume", sondern dürfte ein vom Bischof beauftragter Forstmeister und mutmaßlicher Siedlungsgründer namens "Eigo" gewesen sein, dessen Namen die Mundart im Ortsnamen bis heute bewahrt hat ("Eigenofa"). Auch die domkapitulare Erstnennung (bei den Höfen "des Eigo" = lat. "Eigeris"-, oder weicher gesprochen: "Eicheris"-houen) belegt die Existenz einer solchen Person.

Anderthalb Jahrhunderte später erreicht uns Kunde von einem Volving und seinem Neffen Chvnrad, beide werden "Ritter von Eichenhoven" genannt. Ob diese ihren Sitz auf der östlich vom Ort gelegenen "Geigenburg" hatten? – man darf es zumindest vermuten. Ihr Lehensherr jedenfalls war Hermann Ritter genannt von Dachsberg, der im Jahr 1274 den Wald in "Eichenhoven" (und wohl mit inbegriffen das durch Rodung gewonnene Kulturland) dem Kloster in "Vultenbach" schenkte.

Dieses Kloster Fultenbach, welchem das damalige Eichenhofen sogar die Errichtung einer eigenen Pfarrkirche zu verdanken hatte, läßt sich im Jahr 1346 die bischöfliche Erlaubnis erneuern, besagte Kirche durch eigene Mönche versehen zu dürfen und einen davon hier residieren zu lassen. Für die Anwesenheit von Geistlichen bestand durchaus Bedarf. Denn nach dem größten Hochwasser des letzten Jahrtausends, dem sogenannten "Magdalenen-Hochwasser" Mitte bis Ende Juli 1342, fand alljährlich am Maria-Magdalenen-Tag (22. Juli) aus Dutzenden umliegenden Ortschaften von nah und fern eine riesige Wallfahrt zur Heiligen Magdalena nach Eichenhofen statt. Der Brauch wird beibehalten bis Ende des 18. Jahrhunderts.

Wann und unter welchen Umständen der Eichenhofer Gesamtbesitz aus der Hand von Kloster Fultenbach an eine Privatperson im benachbarten Weisingen gelangen konnte, ist nicht bekannt. Spätestens im Jahr 1366 ist Jous von Wissingen "ze Ychenhoffen" gesessen. Doch schon am 28. März 1367 verkaufen er und seine Frau (Margret von Burgow) und ihr Sohn (Gerloch von Wissingen) ihre "Burg Ychenhouen" und das ebenso genannte Dorf um 600 Pfund Heller an Hans von "Riethen" (Riedheim). Während besagte Burg im Laufe des 15. Jahrhunderts verfällt – 1493 ist zu Eichenhofen nur noch von einem "Burgstall" die Rede, bleibt der Erhalt der "dortigen Kapelle" weiter gesichert.

Anno 1600 wird die bischöfliche Genehmigung erteilt, daß in Eichenhofen am Marie Magdalenenfest wegen der großen Menschenmenge die Messe im Freien gehalten werden darf. Verlorengeht indes die kirchliche Unabhängigkeit, im Jahr 1685 wird Eichenhofen endgültig als Filiale der Pfarrei Hafenhofen einverleibt. Vorher hatte man zwischendurch (1598) auch schon mal zur Pfarrei Winterbach gehört.

Um 1750 ist Aichenhoffen "ein Weÿler von 13 Feüerstätten, dem Baron von Rietheim zu Harthausen gehörig, hat mittelmäsig guten Feldbau, Wiesewachs und Viehzucht, wächst auch Stein- und Kernobst. Daselbst wird Flachs gesponnen, und die Leinweeber verkaufen ihre Waaren dem Stückführer zu Scheppach."

Auch 1761 pilgern am 22. Juli zur Heiligen Magdalena von überallher, "mit Kreuz und Fahnen" voran 20 geistliche Herren, hinter ihnen ihre mitwallfahrenden Gemeinden. Insgesamt kommen an diesem Tag in Eichenhofen sicher weit über Tausend Menschen zusammen.

Wegen erlittenen Schauerschadens im Februar 1782 wird den Eichenhofischen Untertanen an ihrer schuldigen Gilt von der Riedheim'schen Ortsherrschaft die Hälfte nachgelassen.

Durch eine Feuersbrunst am 27. Juni 1787 werden sämtliche Gebäude der Eichenhofer Einwohner gänzlich eingeäschert. Aus humanitären Gründen erhalten die abgebrannten zwölf Familien vom Bäcker in Rettenbach 120 Laibe Brot "abgereicht". Für den Schaden springt die "Feÿer-Societät" ein. Bei der Wiedererrichtung der Gebäude wird mit Ziegeln und Platten gebaut.

Dreißig Jahre später, in denen sich gesellschaftliche Umstürze, Kriege, und Hungersnöte zutragen und Napoleon die Ordnung Europas auf den Kopf stellt, kommt es zu einer ruhigeren Phase, in der Bayern erstmals eine politische Gliederung der neu erworbenen Provinzen vornimmt. Demnach gehören 1817 die Dörfer Eichenhofen und Glöttweng zum Pfarrdorf Landensberg und bilden zu dritt den VII. Steuerdistrikt des Landgerichts Burgau. Über die gemeindliche Zugehörigkeit unseres Ortes ist damit allerdings das letzte Wort noch nicht gesprochen.

1823 besteht Eichenhofen aus 18 Häusern, unter deren Dächern 68 Seelen beherbergt sind. Binnen von nur neun Jahren, bis 1832, steigt die Einwohnerzahl um 50 Prozent, sie wächst auf 102 Seelen, welche sich auf 20 Familien verteilen.

Gut zwei Jahrzehnte und eine deutsche Revolution später endet 1853 mit dem Verkauf des Rittergutes Eichenhofen um 130.000 Gulden an Rudolph Freiherrn von Freyberg die fast fünfhundert Jahre währende Ära Riedheim.

1858 beträgt die Einwohnerzahl nur noch 92 Personen (und wird weiter sinken). Die Zahl der Wohnhäuser beträgt jetzt 19, es leben hier 24 Familien.

Im Jahr 1861 wird Eichenhofen geschildert als ein Dörfchen mit einer kleinen Kirche und einem Schlößchen (nun Forstwartswohnung), letzteres Herrn Baron Freyberg zu Haldenwang gehörig, mit 21 Wohngebäuden, 9 daran angebauten und 7 freistehenden Ökonomiegebäuden, 23 katholische Familien leben hier bei einer Gesamteinwohnerzahl von 78 Personen, die mit Ökonomie sich beschäftigen, nur einer ist ein Wirt und kein Weber. Die Gemarkung des Ortes umfaßt knapp 250 Tagwerk Äcker, gut 142 Tagwerk Wiesen und 840 Tagwerk Waldungen, 10½ Tagwerk Ödungen und Weidplätze, eine Kirche, 10½ Tagwerk Wege und öffentliche Plätze. Der Gesamtbetrag von 1268 Tagwerk setzt sich aus 290 Parzellen zusammen. Das Trinkwasser in Eichenhofen wird gewonnen aus 14 Brunnen, darunter 12 Gumpbrunnen, 1 Schöpfbrunnen und einem laufenden Wasser. (Der Eichenhofener Weiherbach entspringt in den Weihermädern und fällt in den Winterbacherbach.)

Nachdem die Einwohnerzahl 1905 zwischenzeitlich einmal gar stolze 104 erreicht hatte, leben fünf Jahre später (laut offizieller Volkszählung von 1910) zu Eichenhofen noch 95 Personen in 18 Haushaltungen.

Nach einem Blitzschlag 1920 wird das Kirchlein wieder gründlich repariert. Doch schlägt der Blitz am 17. Juni 1926 erneut ein, glücklicherweise ohne zu zünden. Dennoch werden Kreuz und Turmknopf heruntergerissen, an der Kuppel fast alle Platten zertrümmert, ein Teil des Kirchendachs und ein Fenster zerrissen, ebenso Turm und die Umfassungsmauer beschädigt.

Im Frühjahr 1933 bewohnen "ungefähr 80 Leute" in 22 Anwesen, "meist kleineren Sölden", "das stille Dörfchen Eichenhofen" – "im überaus malerisch gelegenen Tal drunten". Ob die Kolonne aus circa dreißig amerikanischen Panzern, die am 24. April 1945 den Ort in ost-westlicher Richtung durchquerte, das geschilderte Idyll zu schätzen wußte, ist nicht überliefert.

Zwanzig Jahre später, am 1. April 1965, hat der Ort 110 Einwohner. Zusammen mit Hafenhofen, dem man seit längerer Zeit schon gemeindlich angeschlossen ist, tritt zum 1. Januar 1976 auch Eichenhofen der Gemeinde Haldenwang bei.

Zum 31. Dezember 2015 sind in Eichenhofen 80 Personen gemeldet (95 Prozent mit Hauptwohnsitz) und leben in 48 Haushalten. Das Geschlechterverhältnis ist exakt ausgeglichen. Knapp 99 Prozent der Einwohner besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit, über 81 Prozent der Bevölkerung sind römisch-katholisch. Im ganzen Jahr gab es keinen Todesfall, zur Welt kam jedoch ein Kind. Eichenhofen ist derzeit also wieder im Wachsen begriffen.

Dr. Thomas Schieche

Quellen

Braun Placidus: Historisch-topographische Beschreibung der Diöcese Augsburg in drey Perioden, Erster Band (Augsburg 1823), S. 279.

Freiherrliches von Freyberg-Archiv Haldenwang: Karton 49, Fasz. 6 ("Ankauf des Rittergutes Eichenhofen 1853"). – "1945. Letzte Kriegstage & Besatzungszeit", handschriftliche Aufzeichnungen von Christine Freifrau von Freyberg-Schütz.

Freiherrliches von Riedheim-Archiv Harthausen: Akten, Fasz. 38, A 606-607, u. Fasz. 62, A 1185. – Hauptrechnungen der Herrschaft Harthausen Bd. 1761/62, fol. 231; Bd. 1766/67, fol. 205; Bd. 1781/82, fol. 76; Bd. 1787/88, fol. 155, 201, 279 u. 284. – Urkunden Nr. 5 (1367 März 28), Nr. 69 (1493 Juli 26) u. Nr. 70 (1493 November 19).

Gaiser, Horst, und Albrecht Rieber (in Zusammenarbeit mit Paul Auer, Gerhard Nebinger, Reinhard H. Seitz und Josef Weizenegger): Kleine Kreisbeschreibung Günzburg Stadt und Landkreis (1966), S. 32 u. 47.

Gemeinde-Archiv Haldenwang: Amtsblatt der Königlich Baierischen Regierung des Ober-Donau-Kreises für das Jahr 1817, Sp. 262. – Amts-Blatt des kgl. Bezirksamtes Günzburg 1907, S. 63. – Amts-Blatt des k. Bezirksamtes Günzburg 1911, S. 127.

Glaser, Rüdiger: Klimageschichte Mitteleuropas. 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen (Darmstadt 2001), S. 66 u. 200f.

Glenk, Michaela: Historisches Ortsnamenbuch von Bayern: Schwaben Band 11: Günzburg, Stadt und Altlandkreis (Kommission für bayerische Landesgeschichte, München 2012), S. 76-78.

Karg, Josef: "Die Magdalenen-Flut. Das Jahrtausend-Hochwasser von 1342", in: Günzburger Zeitung, 8./9. Juni 2013.

Kolleffel, Johann Lambert: Schwäbische Städte und Dörfer um 1750. Geographische und Topographische Beschreibung der Markgrafschaft Burgau 1749-1753, herausgegeben von Robert Pfaud (Weißenhorn 1974), S. 59.

Schieche, Thomas: Sintflut in Rettenbach? – Welche Quellen zur Erforschung der Ortsgeschichte gibt es? (Vortrag 2014, 9. Oktober in Rettenbach)

Schmidt, Michael Ignaz: Geschichte der Deutschen, Band I (Ulm 1785), S. 2 u. 4.

Schnurrer, Ludwig: Bayerische Archivinventare, Bd. 8: Schloßarchiv Harthausen (München 1957).

Seibold, Rudolf: Chronik der Gemeinde Haldenwang, Teil 2: Hafenhofen, Eichenhofen (Augsburg 2003), S. 249ff.

Staatsarchiv Augsburg: Kloster Fultenbach, Urkunden Nr. 7 u. 21.

Stadtarchiv Burgau: Burgauer Anzeiger, Jahrgang 1926, 18. Juni.

Standesamt Haldenwang: Einwohnerstatistik zum 31. Dezember 2015.

Steichele, Antonius von: Das Bisthum Augsburg, historisch und statistisch beschrieben; fortgesetzt von Alfred Schröder. Band V: Die Landkapitel Ichenhausen und Jettingen (1895), S. 651-653.

Stötter, Serafin (Schriftleitung): "Aus der Geschichte der Gemeinde Eichenhofen", in: Schwäbischer Heimatbote Nr. 1, 29. April 1933, S. 4.

Willi, Gerhard (Bearbeiter): Der Physikatsbericht von Burgau (1861), S. 251-446, in: Volks- und landeskundliche Beschreibungen aus dem Landkreis Günzburg. Die Physikatsberichte der Landgerichte Günzburg, Burgau und Krumbach, 1858-1861 (Augsburg 2007), S. 281, 288, 290, 292, 340, 364 u. 434f.

Gemeinde Haldenwang mit den Ortsteilen
Konzenberg mit Mehrenstetten
Hafenhofen und Eichenhofen