Hafenhofen
Auf der Römerstraße, westlich am Hafenhofener Becken vorbei, reiste im Jahr 211 nach Christus der römische Kaiser Caracalla, unterwegs nach Phöbianis (Faimingen).
Ob hier im 3. Jahrhundert in der geschützten Kessellage schon Menschen siedelten, ist nicht bekannt, doch keineswegs unwahrscheinlich. Denn schon zur Keltenzeit war unsere Gegend ein dicht besiedelter Landstrich.
Erst etwa tausend Jahre später, kurz vor 1200, wird "Havinhovin" urkundlich erwähnt. Nach weiteren hundert Jahren, im letzten Jahrzehnt vor 1300, nennt sich ein gewisser "Vlricus de Hauenhouen" nach unserm Ort. Dieser "Ulrich von Hafenhofen" war wohl ein Burgauischer Ministeriale, ein Beamter der Markgrafschaft Burgau, und stand im Range eines "Truchseß". Sein Siegel zeigt einen dreifüßigen bauchigen Kessel mit Henkel (schwäbisch: "Hafen"), der Vorbild gewesen sein könnte für jenen noch berühmteren, in welchen Obelix als Kind hineingefallen ist, hier jedoch mit Sicherheit als 'sprechendes Wappen' den Namen unseres Ortes zu deuten sucht.
Im Spätmittelalter gibt es nicht nur einen Ortsherrn, welcher Hafenhofen besitzt, sondern derer gleich drei. Dabei handelt es sich um adelige Familien, die in den umliegenden Orten zu Haldenwang (Herren "von Steinheim", vorher "von Suntheim"), zu Dürrlauingen (Herren "von Westernach") und zu Waldkirch (Herren "von Hasberg") gesessen sind.
Seinen Haldenwanger Anteil von 4 Lehen und 5 Sölden vereinigt Heinrich von Steinheim 1460 durch Kauf mit dem 1 Lehen und den 2 Sölden des Peter von Westernach. Etwa um die gleiche Zeit verkauft Diepold von Hasberg den dritten Komplex, bestehend in 2 Höfen, 6 Sölden und 1 Gütlein, an Anton von Argon. So ist um die Mitte des 15. Jahrhunderts der Gesamtbesitz von Hafenhofen nur noch zweitgeteilt.
An der Wende zur Neuzeit sind beim Anteil des Heinrich von Steinheim nicht nur alle Lehen in Sölden umgewandelt, also mit Wohngebäuden bebaut, es werden 1478 auch bei all seinen Anwesen die Haushaltsvorstände bereits mit Namen aufgeführt – ein familiengeschichtlich einzigartiges Zeugnis!
Während Christoph Kolumbus 1492 nach Westen segelt, um neues Land zu entdecken, besteht das bekannte Land in Hafenhofen aus den 13 Feuerstätten des alten Steinheim sowie den 32 Herdstellen des seligen Sigmund von Argon bzw. seiner Erben. Auch bei deren Anteil erhalten nun die Haushaltsvorstände für uns gewissermaßen ein Gesicht vermittels 32 einzelner Namensnennungen.
Gegen Unfreiheit und Bevormundung revoltieren die Menschen im Frühjahr 1525 landauf, landab. Am Leipheimer Haufen und seinen Umtrieben beteiligen sich aus "Habenhofen" 35 Personen. Bekanntlich scheiterte der Aufstand, die althergebrachten Verhältnisse setzen sich fort, sie werden sogar noch bedrückender.
Kaum daß sie alle Besitzanteile des Ortes an sich gebracht und erstmals seit Jahrhunderten in einer Hand vereinigt haben, verkaufen die Gebrüder von Werdenstein (aus dem Hause Argon) das gesamte Dorf mit Gerichtsrecht und Kirchensatz 1560 an Anton Fugger, den tüchtigen Neffen Jakobs des Reichen. Hafenhofen kommt nun zur Herrschaft Fugger-Glött – und bleibt es für die nächsten Jahrhunderte.
Im Dreißigjährigen Krieg verliert unser Ort nahezu 95 Prozent seiner Bevölkerung. Von 385 im Jahre 1623 sinkt die Einwohnerzahl auf 24 im Jahre 1642 zurück. Anno 1651 leben hier gerade mal fünf Familien. Von diesem Kulturbruch hat sich Hafenhofen lange Zeit nicht erholt. Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts liegen zahlreiche Wohnstätten verödet.
Um 1750 wird Hafenhofen beschrieben als "ein Dorff von 56 Feuerstätten, nebst starcken Feldbau, Wiesewachs, Viehzucht, Stein- u. Kernobst, auch wird hier Flachs gesponnen und Leinewand nach Augspurg gewürckt."
1823 besitzt das "Pfarrdorf im Herrschaftsgericht Glött" bereits 60 Häuser, welche 320 Seelen beherbergen.
Anno 1858 lebten in Hafenhofen 351 Personen in 67 Wohngebäuden. Die Gemarkung des Ortes umfaßt 577 Tagwerk Äcker, 123 Tagwerk Wiesen und knapp 200 Tagwerk Waldungen, auch 16½ Tagwerk Ödungen und Weidplätze, sowie 29 Tagwerk Wege und öffentliche Plätze. Der Gesamtbetrag von 985 Tagwerk setzt sich zusammen aus 1351 Parzellen.
Im Jahre 1861 hat Hafenhofen mit Pfarrkirche und neuem Schulhaus 73 Wohnhäuser, in denen 79 katholische Familien mit 365 Einwohnern leben; dazu 59 angebaute Ökonomie- und 4 Nebengebäude. Die Ökonomiegebäude hier stehen nicht vom Wohnhaus getrennt, sondern sind unter einem Dache vereinigt. Das Trinkwasser für Mensch und Tier wird gewonnen aus 50 Brunnen, meist Gumpbrunnen und nur etwa 2 Schöpfbrunnen. Außerhalb der landwirtschaftlichen Produktion verdienen ihren Lebensunterhalt in Hafenhofen 32 Personen als Gewerbetreibende, im einzelnen sind es 16 Weber, 2 Schneider, 2 Schuster, 2 Schreiner, 1 Krämer, 1 Schmied, 1 Schäffler, 1 Wirt, 1 Metzger, 2 Maurer, 1 Zimmermann, 1 Wagner und 1 Bader.
Nach offizieller Volkszählung beträgt in Hafenhofen des Jahres 1905 die Zahl der Einwohner 343. Während des Ersten Weltkriegs 1914-18 bleiben achtzehn Männer, die als Soldaten eingezogen wurden, "im Felde". Ein Zeitungsartikel des Jahres 1926 beklagt, daß Hafenhofen einst "vor dem 30jährigen Krieg blühender als jetzt" gewesen sei, denn da "zählte es noch 385 Einwohner", während es 1926 nur noch 353 seien. Auch aus dem Zweiten Weltkrieg 1939-45 kehren 29 Männer nicht mehr zu ihren Familien nach Hause zurück. Trotz Zuzugs von Flüchtlingen 1945 und Heimatvertriebenen 1946 sinkt die Einwohnerzahl bis zur Volkszählung von 1965 auf 329 Personen.
Nach über 2-jähriger Vorbereitungszeit schließt sich zum 1. Januar 1976 im Rahmen der bayerischen Gebietsreform die bislang selbständige Gemeinde Hafenhofen freiwillig mit der benachbarten Gemeinde Haldenwang zusammen, mit der man sich in gutem Einvernehmen befindet, um fortan zusammen eine übergeordnete gemeindliche Einheit zu bilden.
Zum 31. Dezember 2015 sind in Hafenhofen 362 Personen gemeldet (zu mehr als 97 Prozent mit Hauptwohnsitz) und leben in 191 Haushalten. Fast 99 Prozent der Einwohner besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit, knapp 85 Prozent sind römisch-katholisch. Neun Sterbefällen im Jahre 2015 stand keine einzige Geburt gegenüber. Gilt denn auch heute noch, was 1926 in der Zeitung stand?
Dr. Thomas Schieche
Quellen
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